Nachdem er seinen neuen Studienplatz zugesagt bekam, hat er sein bisheriges Studium unterbrochen, einige Wochen gearbeitet und verschwand für ca. 2 Monate in den sächsischen Landtagswahlkampf. Er erzählte uns, er helfe einer Bürgerinitiative (so wörtlich !), die sich gegen Arbeitslosigkeit wendet, warum auch nicht ? Zwei Wochen nach Semesterbeginn überraschte er uns, dass er sein Studium aufgeben werde und sich als ‚full timer‘ für die BüSo (Bürgerrechtsbewegung Solidarität) zur Verfügung stellen werde. Wir waren entsetzt ! Bis zu diesem Zeitpunkt war uns diese Organisation bzw. Partei unbekannt . Wir versuchten unseren Sohn davon zu überzeugen, doch wenigstens eine Erstausbildung abzuschließen, um nicht eines Tages als Ungelernter auf dem Arbeitsmarkt zu stehen. Zudem gaben wir zu bedenken, dass sein politischer Einfluss doch größer sein würde, wenn er als Fachmann für seine Überzeugung stehen würde - jedoch alles vergebens. Die LaRouche- Organisation hatte ihn bereits am Haken !
Von einem Menschen namens LaRouche hatten wir bis dahin noch nie etwas gehört. Die LaRouchies treten vor den Unis auf, ihr Rekrutierungsziel sind Studenten, ihre Parole: das Studium macht keinen Sinn, weil man an der Uni sowieso nichts lernt, demnächst die Finanzkrise ausbricht, ein dritter Weltkrieg ausbricht, aufgrund der Massenarbeitslosigkeit ein neuer Faschismus heraufzieht und andere Bedrohungen mehr. Um diese Bedrohungen abzuwenden, müsse er jetzt „politisch“ arbeiten.
Wir nahmen uns nun die Zeit, mit ihm mehrere Tage lang zu diskutieren. Er war
bisher nicht übermäßig an Politik interessiert, aufgrund seiner
Äußerungen sympathisierte er mit den Grünen. Nun war alles anders,
Wende um 180 Grad: Es müsse Hochtechnologie her, eine Transrapidverbindung
(„eurasische Landbrücke“) nach Fernost, Kernkraftwerke in alle
Winkel der Erde. Begründet wurde mit hehren Zielen : Gerechte Weltwirtschaftsordnung
und Entwicklung der Dritten Welt.
Er gab alle seine Argumente wieder, die wir in der Folgezeit über das Internet
und in Publikationen des LaRouche-Netzwerks hundertfach zu lesen bekamen. Uns
ist besonders aufgefallen, dass er seine politischen Gegner als blöd, schwachsinnig
und feige bezeichnete, Attribute, die in keine politische Debatte gehören.
Auch pflegt man offensichtlich in dem neuen Umfeld, seine Gegner als Faschisten
und als Nazis zu titulieren, so sind die Umweltschützer z.B. „Öko-
Faschisten“. Uns interessierte am meisten, wie er sich seine Zukunft vorstelle:
Das Finanzsystem werde demnächst zusammenbrechen und er will Finanzexperte
werden, außerdem will er am Aufbau einer Universität mitwirken, wo
man wirklich etwas lernt.
Sein Diskussionsstil war sehr sprunghaft. Wir erfuhren den gesamten LaRouche‘
schen Eklektizismus (Hokuspokus) :
Sokrates ist toll, Platons Höhlengleichnis ist zutreffend, Aristoteles
ist zu materialistisch, Schillers „schöne Seele“ ist sein Vorbild,
Kepler ist gut, Newton ist ein Scharlatan, die „Baby Boomer“ –
also die 68er - sind schuld an der schlechten Weltlage, insbesondere in der
Dritten Welt, die Frankfurter Schule (Adorno) ist menschenverachtend, die Londoner
City und das britische Königshaus fördern und profitieren vom internationalen
Drogenhandel und stecken überhaupt hinter sämtlichen negativen gesellschaftlichen
Entwicklungen. Die moderne Kunst ist satanisch, das einzig Wahre ist der Kunststil,
der zu Zeiten der Renaissance herrschte. Johann Sebastian Bach war der letzte
wirkliche Musiker, moderne Musik ist pfui.
Dass es sich bei der LaRouche- Gruppierung – trotz ihrer scheinbar fortschrittlichen
Parolen – um eine rechtslastige Organisation handelt, wird an etlichen
Punkten klar. Was in ihren Diskussionen und Publikationen so gut wie nie vorkommt,
ist das Wort: „Demokratie“. Politische Teilhabe einer Bevölkerung
an der Macht ist nicht gerade ihr Ding. Ihre Kaderorganisation Schiller-Institut
nennt sich im Untertitel: Institut für Staatskunst e.V., also eine elitäre
Veranstaltung. Der Holocaust und die reale Nazi – Diktatur 1933-45 werden
relativiert, man spricht vom Holocaust- Schwindel, die heutige Lage ist viel
schlimmer als das dritte Reich, in Mexico sind die Arbeitscamps viel schlimmer
als die KZs in Deutschland es je waren!
Wenn die Gruppierung das Finanzkapital kritisiert, tauchen in Ihrer Propaganda
so gut wie ausschließlich Namen jüdischer Bankiersfamilien auf (z.B.
Rohatyn). Die Gruppe pflegt einen verdeckten Antisemitismus, oft werden auch
Juden gemeint und „Briten“ gesagt.
Deutschland, Deutschland über alles – die DM war Klasse, soll wieder
eingeführt werden, der Nationalstaat ist das non plus ultra, alle überstaatlichen
Organisationen sind abzulehnen, so wird die Europäische Union als Diktatur
bezeichnet.
LaRouche und Co. haben sowieso eine auffällige Affinität zu autoritären
Regimes, so wird die Menschenrechtslage in China, Russland, Sudan usw. nirgendwo
thematisiert. In ihrer politischen Projektion sollen die „Humanisten“
– also sie selbst – an den Schalthebeln der Gesellschaft sitzen,
während die Heloten Transrapidstrecken bauen dürfen !
Uns wurde durch unsere fruchtlose Diskussion und auch übers Internet klar,
dass es sich nicht um eine normale politische Organisation bzw. Partei handelt,
sondern um eine Politsekte. An deren Spitze steht Lyndon Hermyle LaRouche (
geb. 1922) und seine Ehefrau Helga Zepp-LaRouche (geb. 1948). Für die Mitglieder
sind die Worte und Instruktionen „Herrn“ LaRouches Gesetz, er selbst
bezeichnet sich als Staatsmann und Ökonom. In seinen langen Traktaten z.B.
in der „Neuen Solidarität“, eine Wochenzeitung des Netzwerks,
gibt er sich schon mal als Historiker, Physiker, Psychologe – also als
Genie – zu erkennen.
Er gilt als Millionär und pflegt mit seiner Ehefrau einen nicht unaufwändigen Lebensstil obwohl er in den USA nur ein geringes Einkommen versteuert. Beide jetten durch die Welt und treten weltmännisch auf. Doch wehe, wenn sich jemand ihnen entgegenstellt, zeigen sie ihre Qualitäten als Hassprediger. Kritiker werden mit Verleumdungen überzogen und mit der juristischen Keule bedroht.
Die „full time organizers“ die in der LYM organisiert werden, wohnen
zu mehreren in einem Zimmer in meist billig angemieteten Wohnungen einiger Großstädte(z.B.
Berlin, Dresden, Essen u.a.) es ist ihnen gelungen ein Flair herzustellen, das
den Charakter einer internationalen Jugendherbergsbegegnung besitzt.
Laut Rechenschaftsbericht 2005 besitzt die BüSo etwas über 1600 Mitglieder. Unserer Einschätzung nach hat die LYM in Deutschland ca. 80 Mitglieder, also die Stärke eines mittelständischen Betriebes. Es existieren Filialen in Frankreich, Schweden, Dänemark, Mexico, Argentinien und in den USA, wo ihr organisatorischer Schwerpunkt sein dürfte.
Die Mitglieder werden rund um die Uhr für ein Taschengeld mit Sektenaufgaben
beschäftigt. Ob die Organisation Sozialabgaben, also Kranken- und Rentenversicherung
bezahlt, ist uns unbekannt. Die Mitglieder studieren täglich die sog. „briefings“,
die aus Leesburg (USA) eintreffen, an manchen Tagen wird Chorgesang geprobt,
Bachs „Jesu meine Zuversicht“ ist seit Jahren Vorschrift.
Die Mitglieder bauen Stände auf und verkaufen Zeitungen, sie betreiben
aggressive Mitgliederwerbung, wer an einem Stand seine Telefonnummer hinterlässt,
weiß bald was Telefonterror heißt. Sie verfassen und versenden Berichte
über ihre Aktiönchen, sie „studieren“ zugelassene Themenschwerpunkte
und arbeiten sie aus. Man beschäftigt sich mit geometrischen Aufgaben,
der Dauerbrenner ist die Verdoppelung des Quadrats - was angeblich ein Modell
für wirkliche Bildung darstellt, es werden Wohnungen neu eingerichtet,
andere aufgelöst.
Hin und wieder Teilnahme an Kaderschulungen und an Konferenzen, Fahrten in andere
LYM- Wohngemeinschaften. Die härteste Aktionsform ist z.Z. die Intervention,
das ist die gezielte Störung einer Veranstaltung durch Chorgesang, so z.B.
2005 bei einer SPD- Veranstaltung in der Dortmunder Westfalenhalle.
Ein LYM- Mitglied bewegt sich bis in die Privatsphäre hinein so gut wie
ausschließlich im Dunstkreis seines Gurus. Unser Sohn hat bei seinem Eintritt
den Kontakt zu seinen Freunden und sogar zu seiner Freundin total abgebrochen.
In der Anfangsphase hat er sehr wenig Kontakt zu uns gesucht, mittlerweile ist
es uns gelungen, zu Familienfeiern den Kontakt aufrecht zu erhalten. Bedingung
für dieses „Kontaktrecht“ war, dass wir uns insbesondere nicht
an die Öffentlichkeit bzw. an Journalisten wenden dürfen – weswegen
wir unseren Bericht eben hier nicht selbst vorstellen bzw. vorstellen können.
Wie alle Sekten mit dubiosen Zielen und Methoden, scheuen sie das Licht der
Öffentlichkeit. Die Mitglieder werden in einen Zustand von Gläubigkeit
und Hörigkeit versetzt, den wir gerade bei unseren Sohn nicht für
möglich gehalten haben und der ein selbstbestimmtes Leben ausschließt.
Ein Mitglied „im Dienst“ wirkt auch auf andere Beobachter wie ein
Roboter, der vorgegebene Sprüche herunterleiert.
Nach dem Eintritt und damit nach dem Bruch mit seiner bisherigen Umwelt bekam
unser Sohn psychische Probleme, die er als Konzentrationsschwierigkeiten beschrieb.
Als wir vom Fall Jeremiah Duggan erfuhren, bekamen wir einen gehörigen
Schrecken, da eine Parallele mit unserem Fall nicht auszuschließen ist.
Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat es versäumt, die Sekte, der er zu
entkommen suchte, genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wir wollen wissen, woher die Gelder für den Betrieb des LaRouche- Netzwerkes
stammen und welche strategischen Ziele damit verknüpft sind. Wir wollen
wissen, welche Rekrutierungsmethoden die Sekte anwendet, wie sie es schafft,
in relativ kurzer Zeit, Heranwachsende in ihrer Haltung umzudrehen und den Kontakt
zu ihrer Umgebung auf Befehl abzubrechen. Dazu muss der Fall von Jeremiah Duggan
vor Gericht neu verhandelt und den Ursachen seines Todes nachgegangen werden.
Wir wollen wissen, ob die Sektenführung für ihre Beschäftigten
Sozialversicherung zahlt, um im Falle eines Ausstiegs nicht bei null anfangen
zu müssen. Wir wollen, dass die Behörden kritisch und nicht blauäugig
mit der Organisation umgehen. Eventuelle Vergünstigungen müssen eingestellt
werden für eine Gruppe, die Studenten aus ihrem Studium abwirbt und die
intendierte Selbstbestimmung des Einzelnen nach dem Grundgesetz mit Füßen
tritt. Wir wollen die private Öffentlichkeit sensibilisieren, bei der Raumvergabe
o.ä. kritischer hinzuschauen. Wir wissen, dass die Bürgerrechtsbewegung
Solidarität lediglich Scheinparteicharakter trägt, um die Operationsfähigkeit
über das Parteienprivileg zu erhalten. Wir rufen die kritische Öffentlichkeit
auf, also insbesondere Journalisten, herauszufinden, welche Kräfte und
Interessen hinter dieser Organisation stehen.
Oktober 2008, ein Elternpaar